Flying Tramp
Segel- und See-eigenschaften
Das Gefühl auf dem Ruder war im Flying-Tramp-Test nicht zu ermitteln. Das
Soot zu segeln war reine Muskelarbeit. Die Pinne hatte einen viel zu kurzen
Hebelarm. Die Schwerfälligkeit war außerdem auf die Form des Ruders
zurückzuführen, das zu kurz und nicht richtig ausbalanciert war. Besser wäre
unseres Erachtens ein tieferes, gut ausbalanciertes Ruder, wie es inzwischen
von der Werft gebaut werden soll.
Mit der zu kleinen Takelung braucht das Boot sehr viel Wind, den wir beim
Testen auch hatten, und es stellte sich schnell heraus, dass das eingedrehte
Reff nicht erforderlich war. Der Tramp stand wie ein Kirchturm und benahm
sich im Seegang ausgezeichnet. Man braucht es aufgrund des hohen Freibords
und des Backdecks wohl kaum zu sagen sehr trocken segelt. Obwohl die
Rumpfform etwas bullig wirkt, liegt der Tramp ausgezeichnet in der Welle und
setzt auch bei kurzer Kabbelsee weich ein.
Knüppeln darf man ihn auf keinen Fall. Die optimale Hone liegt bei 45 bis
50" am wahren Wind. Die Großschotführung ist in der Zeichnung der Werft mit
Fußblock ausgeführt, auf dem Testboot war sie an einem Bügel uber dem
achteren Kajütschott befestigt. Keine schlechte Idee, doch musste man den
Bügel als Traveller ausfuhren.
Der Tramp durfte dann noch höher laufen und besser auf dem Ruder liegen.
Ausgezeichnet bewahrt sich das große, flache Deck bei allen Arbeiten auf
See. Ein gut genutzter Vorteil der Backdeckform.
Wenn man dem Flying Tramp eine Maschine mit besserer Aufhängung, ein besser
balanciertes Ruder und ein
Traveller statt Bugel fur die Gro&schot wurde einiges an
H6he bringen
etwas größeres Rigg geben und die vielen kleinen
Nachlässigkeiten in der Verarbeitung beseitigen wurde, könnte man ihn als
ein sehr gelungenes, schnelles Familienschiff mit viel Komfort bezeichnen.
Wie uns die Werft inzwischen mitteilte, hat sie bei dem jetzigen Serienboot
die meisten der von uns beanstandeten Details geändert.
Wie steif ist das Schiff?
Der Flying Tramp hat eine optimale Stabilitatskombination aus Rumpfform und
Ballast. Das Langen/Breitenverhältnis ist 2,7:1, und der Ballastanteil
betragt 50 %. Dazu kommt der sehr cjroUe Reserveauftrieb an den Seiten. Der
volle Rumpf mit der großen Breite macht das Boot außergewöhnlich steif, was
man schon beim ersten Schlag feststellt. Allerdings wird dieser Eindruck
durch die zu kleine Segelfläche noch verstärkt. Das Boot kann daher ohne
weiteres mehr Segel vertragen. (die Werft bietet jetzt eine Ausführung mit
24 m2 Binnenrigg an, das unserer Meinung nach als Standardbesegelung
gefahren werden könnte) Wahrend der Testfahrten bei Starkwind hatte die
Testcrew stets ein absolut sicheres Gefühl, was durch die sehr geschützte,
hochgelegene Mittelplicht verstärkt wurde. Beim Krängungstest stellten wir
fest, dass erst bei einer Krängung von 75° Wasser über das Cockpitsüll in
die Plicht laufen kann - ein Wert, der für diese Situation niemals vorher
gemessen wurde. In der Praxis wird also kaum jemals Wasser durch Krängung in
die Plicht gelangen.
Es zeigte sich auch, dass das Ruder noch bei starker Krängung fast
vollständig ins Wasser taucht, da es ziemlich weit mittschiffs dicht hinter
dem Kiel angesetzt ist. Dadurch behalt das Boot auch bei Schräglage immer
seine volle Manövrierfähigkeit. Auch beim Flying Tramp macht sich die
Backdecker-Ausführung vorteilhaft bemerkbar. Der Krängungsversuch zeigt
deutlich, wie grofc das Aufthebsvolumen des seitlich Rumpfes ist. Das Boot
schwimmt bei extremer Schräglage praktisch auf einem zweiten
Unterwasserschiff, da es kein Decksabsatz gibt. Es ist inzwischen auch
bekannt, dass Backdecker trotz des verhältnismäßig hohen | Rumpfes nicht
mehr Windwiderstand als herkömmtiche Boote haben und folglich auch nicht
langsamer an der Kreuz sind, eine Behauptung, die immer wieder aufgestellt
wird. Obwohl es zeitweilig mit Windstärke 7 bis 8 wehte, reichten wenige
Ringe im Großsegel zur Normalfock aus, um das Boot sicher an der Kreuz
segeln zu können. Nicht ganz geheuer kam uns allerdings der Längstrimm vor,
denn der Flying Tramp steckte schon am Steg rotz eingebautem schweren
Dieselmotor die Nase tief in die See. Auch wahrend der Testfahrten mit drei
Mann in der Plicht hatten wir das Gefühl, dass das Schiff etwas kopflastig
getrimmt war, wobei zu bedenken ist, dass sich die Mannschaft ja fast
mittschiffs befindet.
Offenbar hat auch die Werftt inzwischen diesen Umstand erkannt, denn wie uns
Mitgeteilt wurde, wird die Ballastverteilung im Kiel jetzt | anders
vorgenommen.so dass I das Bootrichtig ausgewogen und getrimmt ist.
Technische Daten
Lua 6,70 m
LWL 5,70 m
Bt 2,5 m
Tiefgang 1,00 m
Segelflache 20,20 m2,
Verdrangung ohne Ausrustung
1,20t,
Ballast 400 kg i Motor 10-PS Farymann | Werft: Sudplastwerft Illmensee !
GmbH + Co. 7799
Hlmensee/Uberiingen
Der Komfort an Bord
Der Konstrukteur des Flying Tramp, Heribert Streuer, hat sich hier besonders
intensiv mit dem Raum und Komfort unter Deck befallt. Das Boot bietet ein
Optimum an Komfort für seine Gäste. Leider wurden wir auch bei der
Innenausstattung das Gefühl nicht los, einen echten Prototyp vor uns zu
haben. Es gab verschiedene mangelhafte Details, die allerdings ohne
Schwierigkeiten von der Werft zu beheben sind.
Geräumiges WC mit Kiarsicht-Rohr zur Abwasserkontroile
Alle Luks leckten. die Bugkorbbefestigungen waren nicht dicht, die
Deckenleuchten standen voll Wasser, die Niedergangstreppe. an Nylonstnppen
aufgehängt, war alles andere als sicher. Der Tisch war so ungünstig
angebracht, dass man der Reihe nach auf die U-förmige Sitzbank rutschen
müsste.
Ein Boot für welchen Zweck?
Das Boot ist eine gelungene Konzeption des Familien- und Fahrtenkreuzers.
Die Backdeckkonstruktion bietet viel Raum in der Kajute. Vier Personen
können getrennt und bequem schlafen. Der Flying Tramp eignet sich mit seiner
geräumigen Achterkajüte besonders für zwei Ehepaare Oder eine Familie mit
Kindem. Er ist als Fahrtenschiff entworfen. und das sollte er selbst mit
größerem Rigg auch bleiben. Man kann mit dem Boot die Ostsee und mit
entsprechender Erfahrung auch die Küsten der Nordsee befahren. Das Layout
unter Deck muss man als gelungen bezeichnen. Die Vorschiffskajüte mit der
geräumigen U-Dinette ist ein echter Wohnraum, und die Achterkajüte reicht
auch fur Erwachsene. Das WC lässt sich gut benutzen, mit einiger
Geschicklichkeit sogar stehend. Wenn man die Dinette in eine Doppelkoje
verwandelt, hat man ein echtes 2X2-Meter-Belt. Die Kombüse ist auch bei
Seegang benutzbar. Die Mittelplicht ist sehr gut geschützt, und ein
Steuermann normaler
Die Nylonstrippen am Niedergang - eine böse Falle
Größe hat gute Sicht. gleich ob unter Sege oder Motor. Die Achterkajüte ist
groß genug, so dass wirkiich zwei Erwachsene dann schlafen können. Vier
Personen finden ausreichend Stauraum. selbst für längere Töms. Obwohl der
Flying Tramp raummaßig schon als sehr komfortabel zu bezeichnen ist, hat
man. wenn man einigermaßen geschickt ist, noch ungeahnte Möglichkeiten, die
Bequemlichkeit durch zusätzliche Einbauten zu haben.
SehrvierRauRT unier Deck- ; gfcoKeStatailitat
feiea^efhalfeR-irrf'Seeg.aog., .; fe'eir&finta achlafraum^ " -; ;.
Beschlage und Ausrustung
Mast und Spieren sind aus
Aluminium, und die Salinge stehen in der richtigen Höhe. Mit den Ober- und
Unterwanten sowie mit Vor-und Achterstag ist das Rigg gut tnmmbar. Die
Winschen sind zwar richtig montiert. doch eine Nummer zu klein, spätestens
dann, wenn eine Genua gefahren wird. Der Biigel uber dem Schiebeluk der
Achterkajüte, an dem die GroBschot gefahren wird, sollte als Traveller
umgebaut werden. das Rollreff - ein Schneckenreffer-, das als Extra
geliefert wird, ist nur im Hafen brauchbar. Auch hier sollte ein Bindereff
vorgesehen werden.
Das Fockfall kann nicht richtig durchgesetzt werden, da der Abstand von Rode
und Klampe zu klein ist, so dass man nicht die richtige Zugkraft aufbringt.
Eine Fallwinsch wäre hier erforderlich. Der Bugkorb ist sehr gut
dimensioniert und reicht fast bis zu den Unterwanten, und da die
Cockpitwände sehr hoch gezogen sind, ist eine Seereling nicht unbedingt
erforderlich.
Die Positionslampen waren nur provisorisch montiert. hatten aber ein
DHl-Attest Die Bedienungshebei fur den Motor waren praktisch angebracht. Das
Hydraulik-Getriebe arbeitete ausgezeichnet und erlaubte beim Manövneren
Präzisionsarbeit. Bei Einbau eines 20 PS Farymann kann man das Schiff als
Motorsegler bezejchnen.
Kosten unter der Lupe
Das Testboot {mit Farymann-Diesel 10 PS DM 6500} kostet ca. DM 24 000. Der
segelfertige Listenprels ab Werft inklusive Mehrwertsteuer betragt DM 12
990, das ist mit Mast und Spieren, Fock und Großsegel und allen Beschlagen,
Anschlüsse für Pantrysektion und Vorrichtung für WC und Schrankeinbau. Es
fehlt die gesamte seemännische und nautische Ausrüstung, die Polster.
Reffvorrichtung und Bugkorb. Will man das Schiff für längere Töms ausrüsten,
kommt man mit Sicherheit auf eine Summe von DM 28000. Legt man allerdings
dem Endpreis nicht einen 10-PS-Diesel. sondem einen 5-PS-Aufienborder
zugrunde, betragt die Endsumme etwa DM 23 000. Ein Trailer wurde noch
weitere DM 3000 kosten.
Konstruktion und Finish
Die GFK-Qualitat ist erstklassig aber alles andere sah so recht nach einem
Prototyp aus. Die Innenseite der Kajüten war mit Velvetex be-schichtet, das
sind Nylonfasem , eiektrostatisch aufgeladen. Sie werden mit einem
Kunststoffleim aufgespritzt. Die nicht gut verklebten Fasern müssen danach
abgesaugt werden, und das hat man anscheinend bei der Werft vergessen. Einem
der Tester, der in der Kajüte übernachtete, ist das nicht gerade gut
bekommen. Bei den jetzigen Serienbooten verzichtet die Werft auf die
Velvetex- Beschichtung und baut stattdessen serienmäßig auch für die
Kajütsdächer der Vorder- und Achterkajüte Innenschalen aus GFK ein, die dem,
Kajütsausbau ein weit besseres Aussehen und Finish geben dürften. Die
flexible Motorhalterung war zu, schwach sie brach. Der Wasserfilter und die
Halterung der Wasserpumpe hatten sich aus ihrer recht primitiven Halterung
gelöst. Auf diese Art und Weise könnte man eine ganze Reihe weiterer Dinge
aufzählen, doch sie sind im Grunde genommen Kleinigkeiten, die, um es
nochmals zu betonen. nach Auskunft der Werft inzwischen auch umfassend
beseitigt sein soHen.
Ohne diese Kinderkrankheiten und bei besserer Bauausfuhrung durfte der
Flying Tramp das tdeale Familienboot sein.
Testbericht: Lax Pranger