Discussion:
Bullenstander ja oder nein?
(zu alt für eine Antwort)
Helmut Fischer
2014-01-15 21:24:01 UTC
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Moin,

wie haltet Ihr es mit dem Setzen eines Bullenstanders? In der Literatur
gehen die Meinungen auseinander - die einen halten ihn für einen
Sicherheitsgewinn (kein unkontrolliertes Übergehen des Baums), die
anderen für ein Sicherheitsrisiko (eingeschränkte Manövrierfähigkeit,
Vergrößern der Gefahr bei Patenthalse). Ebenso die Leute mit denen ich
bisher gesegelt bin - die einen ja, die anderen nein.

2012 hatte ich die erste (und hoffentlich letzte) Gelegenheit eine
Patenthalse auf einer Hanse 370 aus nächster Nähe (auf dem Heckkorb
sitzend) mitzuerleben. Es ging alles gut: die komplette Crew saß an Deck
und der Baum ging über allen Köpfen und vor dem Rudergänger und mir
relativ "gemütlich" über.

Wir waren bei abnehmendem Wind raumschots unterwegs, noch mit Reff im
Groß und bei noch recht hoher, kurzer Ijsselmeer-Welle. Der Rudergänger
hantierte mit dem in Fußhöhe liegenden Motorhebel, war abgelenkt und
steuerte eine Welle nicht richtig aus - klar sein Fehler. Wegen Reff und
schon abgeflautem Wind war wenig Druck im Segel, und der Ruck im Rigg
war nicht dramatisch. Für dicke Beulen am Kopf hätte es aber sicher
gereicht.

Ich tendiere trotzdem zu "besser steuern" - wie haltet Ihr das?

Grüße, Helmut
Hartmut Schenke
2014-01-16 10:06:53 UTC
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Am Wed, 15 Jan 2014 22:24:01 +0100
Post by Helmut Fischer
Moin,
wie haltet Ihr es mit dem Setzen eines Bullenstanders?
Auf meinem Laser nie. ;-)

Auf Dickschiffen ist es schon eine ganze Weile her, dass ich einen Bullen
gesetzt habe. Ich sage mal, so selten wie möglich aber so oft wie nötig.
Wobei ich vor allem den menschliche Faktor im Auge habe.

Fähige Steuerleute vorausgesetzt, kommt ein Bulle ernsthaft nur von
raum bis platt vor dem Laken und hoher Welle und viel Wind in Betracht,
denn nur dann kann der Großbaum Problem bereiten, wenn es eine
unfreiwillige Halse gibt. (Warum heisst die eigentlich Patenthalse? Ich
finde diese Halsenvariante überhaupt nicht patent.)

Ok, zurück zum Thema: Unsere Seglergemeinschaft - obwohl sämtlich
Rennjollensegler - benutzt Dickschiffe praktisch ausschließlich zum
Fahrtensegeln. Geschwindigkeitsdifferenzen um 0,x interessieren uns dabei
also nicht.
Die Gefahr schädlicher unfreiwilliger Halsen umgehen wir einfach
dadurch, dass bei einschlägigen Verhältnissen nur unter Vorsegel gefahren
wird. Wenn es richtig kracht und trotzdem Wert auf möglichst hohe
Geschwindigkeit gelegt wird, sollte man das aber nur tun, wenn das Schiff
entweder topgetakelt ist oder bei sog. 7/8-Takelung Backstagen hat.

Gruß
Abdul
Ignatios Souvatzis
2014-01-16 11:31:50 UTC
Permalink
unfreiwillige Halse [...] (Warum heisst die eigentlich Patenthalse? Ich
finde diese Halsenvariante überhaupt nicht patent.)
Ironie, vermute ich.

-is
Hartmut Schenke
2014-01-16 15:22:22 UTC
Permalink
Am Thu, 16 Jan 2014 12:31:50 +0100
Post by Ignatios Souvatzis
unfreiwillige Halse [...] (Warum heisst die eigentlich Patenthalse? Ich
finde diese Halsenvariante überhaupt nicht patent.)
Ironie, vermute ich.
Schon möglich. ;-)

Gruß
Abdul
Helmut Fischer
2014-01-17 21:09:41 UTC
Permalink
Post by Hartmut Schenke
Auf meinem Laser nie. ;-)
auf meinem Hobie 16 auch nicht ;-)
Post by Hartmut Schenke
...
Auf Dickschiffen ist es schon eine ganze Weile her, dass ich einen Bullen
gesetzt habe. Ich sage mal, so selten wie möglich aber so oft wie nötig.
nett gesagt.
Post by Hartmut Schenke
Wobei ich vor allem den menschliche Faktor im Auge habe.
Fähige Steuerleute vorausgesetzt, kommt ein Bulle ernsthaft nur von
raum bis platt vor dem Laken und hoher Welle und viel Wind in Betracht,
denn nur dann kann der Großbaum Problem bereiten, wenn es eine
unfreiwillige Halse gibt. (Warum heisst die eigentlich Patenthalse? Ich
finde diese Halsenvariante überhaupt nicht patent.)
Ok, zurück zum Thema: Unsere Seglergemeinschaft - obwohl sämtlich
Rennjollensegler - benutzt Dickschiffe praktisch ausschließlich zum
Fahrtensegeln. Geschwindigkeitsdifferenzen um 0,x interessieren uns dabei
also nicht.
Die Gefahr schädlicher unfreiwilliger Halsen umgehen wir einfach
dadurch, dass bei einschlägigen Verhältnissen nur unter Vorsegel gefahren
wird. Wenn es richtig kracht und trotzdem Wert auf möglichst hohe
Geschwindigkeit gelegt wird, sollte man das aber nur tun, wenn das Schiff
entweder topgetakelt ist oder bei sog. 7/8-Takelung Backstagen hat.
Die besagte Hanse 370 hat eine relativ kleine Selbstwendefock, die auf
raumen Kursen miserabel steht und bei rollendem Boot gerne mal von
selbst hin und her geht. Ob die als alleiniges Segel besser steht habe
ich noch nicht probiert, käme auf einen Versuch an. Der Vercharterer
empfiehlt: bei viel Wind Fock weg, nur gerefftes Groß.

Grüße, Helmut
Hartmut Schenke
2014-01-18 00:26:43 UTC
Permalink
Am Fri, 17 Jan 2014 22:09:41 +0100
[...]
Post by Helmut Fischer
Post by Hartmut Schenke
Die Gefahr schädlicher unfreiwilliger Halsen umgehen wir einfach
dadurch, dass bei einschlägigen Verhältnissen nur unter Vorsegel
gefahren wird. Wenn es richtig kracht und trotzdem Wert auf möglichst
hohe Geschwindigkeit gelegt wird, sollte man das aber nur tun, wenn das
Schiff entweder topgetakelt ist oder bei sog. 7/8-Takelung Backstagen
hat.
Die besagte Hanse 370 hat eine relativ kleine Selbstwendefock, die auf
raumen Kursen miserabel steht und bei rollendem Boot gerne mal von
selbst hin und her geht.
Ja, wie der Name schon sagt. ;-)
Spaß beiseite, das von mir erwähnte Vorsegel ist eine Rollfock,
die ausgerefft den Mast deutlich überlappt.
Post by Helmut Fischer
Ob die als alleiniges Segel besser steht habe
ich noch nicht probiert, käme auf einen Versuch an.
Ich glaube schon, dass sie allein besser stehen würde als 'hinter'
dem Groß. Aber größer wird das Ding dadurch natürlich nicht.
Post by Helmut Fischer
Der Vercharterer
empfiehlt: bei viel Wind Fock weg, nur gerefftes Groß.
Wenn man unterstellt, dass der das fragliche Schiff kennt, ist es gut
möglich, dass seine Methode bei d e r Beseglung besser ist.
Wenn sich die Luvgierigkeit dabei in erträglichen Grenzen hält...
Bei Starkwind sollte allerdings auch eine kleine Selbstwendefock ordentlich
ziehen. Wir sind jedenfalls mit erstaunlich kleiner Vorsegelfläche bei
entsprechenden Windverhältnissen schon häufig Rumpfgeschwindigkeit gelaufen.
Einfach mal ausprobieren.

Gruß
Abdul
--
Laser forever!
Jakob Achterndiek
2014-01-16 11:50:12 UTC
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Moin,
wie haltet Ihr es mit dem Setzen eines Bullenstanders?[..]
Auf etwas größeren Kielbooten?
Nur bei sehr wenig Wind und dafür zu starker alter Dünung!
Sonst: Lieber öfter mal den Rudergänger ablösen.

j/\a
--
Wulf Kruempelmann
2014-01-16 12:46:37 UTC
Permalink
Post by Helmut Fischer
Moin,
wie haltet Ihr es mit dem Setzen eines Bullenstanders? In der Literatur
gehen die Meinungen auseinander - die einen halten ihn für einen
Sicherheitsgewinn (kein unkontrolliertes Übergehen des Baums), die
anderen für ein Sicherheitsrisiko (eingeschränkte Manövrierfähigkeit,
Vergrößern der Gefahr bei Patenthalse). Ebenso die Leute mit denen ich
bisher gesegelt bin - die einen ja, die anderen nein.
Ich tendiere trotzdem zu "besser steuern" - wie haltet Ihr das?
Bei meinem ersten Törn hat der Skipper bei 8 Bft mit Schmetterling nen
bullenstander gesetzt. Und prompt ne Patenthalse gefahren. Dummerweise
hat er beim setzen nicht drauf geachtet, dass man ihn schnell und
kontrolliert fieren kann, was dann, beim plötzlichen öffnen, doch zu
einem wild schlagenden Segel geführt hat (natürlich zu wenig gerefft)
und in der Folge zu einem kräftigen Riss.

Aus meiner Erfahrung ist es wichtiger, frühzeitig zu reffen, denn das
Boot wird durch das mehr an Fläche nicht schneller, sondern nur
unruhiger. Dann einen Kurs wählen, bei dem die Gefahr einer Patenthalse
geringer ist, also eher vor dem wind kreuzen. Dann ist die Kraft einer
Patenthalse auch deutlich geringer und die Gefahr recht gering.
Ob man dann noch eine Bullentalje setzt, (wenn, dann aber so, dass man
kontrolliert fieren kann), ist Geschmackssache.

Gruß

Wulf
Post by Helmut Fischer
Grüße, Helmut
Helmut Fischer
2014-01-17 21:09:41 UTC
Permalink
Post by Wulf Kruempelmann
...
Aus meiner Erfahrung ist es wichtiger, frühzeitig zu reffen, denn das
Boot wird durch das mehr an Fläche nicht schneller, sondern nur
unruhiger. Dann einen Kurs wählen, bei dem die Gefahr einer Patenthalse
geringer ist, also eher vor dem wind kreuzen. Dann ist die Kraft einer
Patenthalse auch deutlich geringer und die Gefahr recht gering.
So in etwa ist es uns ja passiert und ging relativ unspektakulär und für
das Rigg glimpflich ab. Den Kopf hätte ich trotzdem nicht gerne im Weg
des Großbaums gehabt.

Grüße, Helmut
Tobias Crefeld
2014-01-20 21:23:00 UTC
Permalink
Post by Wulf Kruempelmann
Aus meiner Erfahrung ist es wichtiger, frühzeitig zu reffen, denn das
Boot wird durch das mehr an Fläche nicht schneller, sondern nur
unruhiger.
Zumindest für reine Verdränger gilt das sicherlich. Moderne Yachten kommen
dagegen raumschots ins Surfen und das macht schon Spaß.

Richtig ist sicherlich auch, dass man raumschots sein Tuch eher vorm Mast
als achtern braucht und insofern ein frühzeitiges Reffen des Groß
unschädlich ist. Braucht halt seine Zeit, zumal die meisten Crews dazu
lieber an den Wind gehen, aber ist ohne Zweifel die bessere Seemannschaft.

Unter Spi werde ich ein Reffen hingegen eher vermeiden, weil ich im
Spimanöver nicht auf den Windschatten des Groß verzichten möchte.
Post by Wulf Kruempelmann
Dann einen Kurs wählen, bei dem die Gefahr einer Patenthalse
geringer ist, also eher vor dem wind kreuzen.
Sollte man allein schon auf Komfortgründen machen. Allerdings ist dann auf
einer Vorwindroute der damit verbundene "Segelzeitgewinn" für manch
(altes) Boote so erheblich, dass er auf großen Distanzen das Urlaubsbudget
sprengt. ;)
--
Gruss,
Tobias.
Tobias Crefeld
2014-01-16 20:34:00 UTC
Permalink
Post by Helmut Fischer
wie haltet Ihr es mit dem Setzen eines Bullenstanders? In der Literatur
Gegenfrage: Wieviel ist Dir die Investition wert?

Wenn man mal von raffinierten Spezialkonstruktionen absieht, brauchst Du
zwei wenig elastische (manche sagen auch reckarme) Leinen (jedenfalls
keine Festmacher) mit einer Länge von jeweils knapp doppelter Schiffslänge
- für jede Seite eine. Dazu je einen großzügig dimensionierten Block, der
am Vorschiff angeschlagen wird. Damit kannst Du dann kursunabhängig den
Bullen sicher vom Cockpit aus bedienen.

Das kostet je nach Schiffsgröße mitunter ein paar hundert Euro. Geld, dass
Charterer lieber in ein jüngeres Boot und Eigner lieber in elektronische
Gimmicks investieren. Oder ganz einsparen.

Bei einem solchen, also richtigen Bullen stellt sich die Frage nicht.

Das Problem besteht darin, dass manche meinen, dass ein Festmacher,
provisorisch mittig vom Baum runtergeführt an die Mittschiffsklampe oder
gar zur Fußreling und dort irgendwie festgeknotet, ein Bullenstander wäre.
Und genau da fängt die Diskussion "besser mit" vs. "besser ohne" an.
--
Gruss,
Tobias.
Ignatios Souvatzis
2014-01-17 08:22:03 UTC
Permalink
Post by Tobias Crefeld
Wenn man mal von raffinierten Spezialkonstruktionen absieht, brauchst Du
zwei wenig elastische (manche sagen auch reckarme) Leinen
Wie reckarm muss die wirklich sein? Worauf ich allerdings unbedingt achten
würde, ist eine geflochtene Leine, damit die niemals nicht unter Belastung
ein wenig irgendwo hakt.
Post by Tobias Crefeld
(jedenfalls
keine Festmacher) mit einer Länge von jeweils knapp doppelter Schiffslänge
- für jede Seite eine. Dazu je einen großzügig dimensionierten Block, der
am Vorschiff angeschlagen wird. Damit kannst Du dann kursunabhängig den
Bullen sicher vom Cockpit aus bedienen.
Genau. Hat $uns vor einigen Jahren mal bei 7 aus West von Oostende nach
Breskens gebracht.
Post by Tobias Crefeld
Das kostet je nach Schiffsgröße mitunter ein paar hundert Euro. Geld, dass
Charterer lieber in ein jüngeres Boot und Eigner lieber in elektronische
Gimmicks investieren. Oder ganz einsparen.
Naja. Der Eigner, dessen Boot ich gut kenne, hat sowohl alle
elektronischen Gimmicks, die man will, außer vielleicht LORAN und
GLONASS, *und* Bullenstanderblöcke. Und Autopilot, wenn man will,
*und* eine Windfahnensteuerung. Dafür ist das Schiff vermutlich
eine Nummer kleiner, und 11 bzw. 14 Fuß kürzer als das letzte
Charterschiff, auf dem ich war.
Post by Tobias Crefeld
Bei einem solchen, also richtigen Bullen stellt sich die Frage nicht.
Andererseits habe ich aktuell einen (von 3) SSS-Lehrer, der auf
keinen Bullenstander schwört. Im Zweifelsfall wird dann halt kein
Groß gefahren. Angeblich kann man so auch Regatten gewinnen. Ich
muss dazu aber erwähnen, dass er Charterer ist.

-is
Helmut Fischer
2014-01-17 21:09:41 UTC
Permalink
Post by Tobias Crefeld
Gegenfrage: Wieviel ist Dir die Investition wert?
Wenn man mal von raffinierten Spezialkonstruktionen absieht, brauchst Du
zwei wenig elastische (manche sagen auch reckarme) Leinen (jedenfalls
keine Festmacher) mit einer Länge von jeweils knapp doppelter Schiffslänge
- für jede Seite eine. Dazu je einen großzügig dimensionierten Block, der
am Vorschiff angeschlagen wird. Damit kannst Du dann kursunabhängig den
Bullen sicher vom Cockpit aus bedienen.
Das kostet je nach Schiffsgröße mitunter ein paar hundert Euro. Geld, dass
Charterer lieber in ein jüngeres Boot und Eigner lieber in elektronische
Gimmicks investieren. Oder ganz einsparen.
Bei der von mir in den letzten Jahren gecharterten Hanse 370 ist das in
Form von Gennakerschoten und Reserveblöcken vorhanden. Aber wieso
eigentlich großzügig dimensioniert? Viel Last ist doch (jedenfalls auf
Raumschots- oder Vorwindkurs) nicht drauf.
Post by Tobias Crefeld
Bei einem solchen, also richtigen Bullen stellt sich die Frage nicht.
Für mich, denke ich, schon - ich bin selber kein "alter Hase" und auch
nicht immer nur mit Leuten unterwegs die bei Hektik das Kommando "Bullen
fieren!" sofort richtig verstehen und richtig umsetzen könnten.
Post by Tobias Crefeld
Das Problem besteht darin, dass manche meinen, dass ein Festmacher,
provisorisch mittig vom Baum runtergeführt an die Mittschiffsklampe oder
gar zur Fußreling und dort irgendwie festgeknotet, ein Bullenstander wäre.
Und genau da fängt die Diskussion "besser mit" vs. "besser ohne" an.
Diese Variante wollte ich ausschließen.

Ich verstehe Dein Argument, aber ich denke mittlerweile, zum "richtigen"
Bullen gehört dann auch die richtige Crew. Also im Zweifelsfall eher
aufmerksamer steuern oder anderen Kurs fahren.

Grüße, Helmut
Helmut Fischer
2014-01-19 15:46:31 UTC
Permalink
Post by Helmut Fischer
Aber wieso
eigentlich großzügig dimensioniert? Viel Last ist doch (jedenfalls auf
Raumschots- oder Vorwindkurs) nicht drauf.
o.k. - steht das Groß back, ist der Druck natürlich hoch und der Hebel
wird beim Fieren sehr ungünstig.

Ingrid
Tobias Crefeld
2014-01-20 20:25:00 UTC
Permalink
Post by Helmut Fischer
Post by Helmut Fischer
Aber wieso
eigentlich großzügig dimensioniert? Viel Last ist doch (jedenfalls auf
Raumschots- oder Vorwindkurs) nicht drauf.
o.k. - steht das Groß back, ist der Druck natürlich hoch und der Hebel
wird beim Fieren sehr ungünstig.
Richtig und dazu kommt, dass diese Last auch noch als Wechsellast
auftritt. Idealerweise soll sich außerdem der Baum gar nicht bewegen, weil
das nur Instabilität mit sich bringt und es pro Welle, etc. noch länger
dauert, bis das Segel wieder stabil angeströmt wird.

Wieviel Last da nötig ist, merkt man, wenn man den Bullen nur auf einer
Klampe belegen kann, also keine Übersetzung zur Verfügung hat. Danach an
der Großschottalje (also mit Übersetzung) gezogen und der Baum kommt nicht
nur ein paar Grad nach achtern.
Gerade wegen des ungünstigen Zugwinkels ist es nützlich, vor jedem anderen
Handgriff erstmal den Baumniederholer unter Dampf zu setzen und auf diese
Weise dem Bullen einen zumindest etwas günstigeren Zugwinkel zu spendieren
- und ihn daneben auch zu entlasten. Dieses einfache Werkzeug stabilisiert
bereits völlig ohne Bulle raumschots enorm und es ist wirklich
bedauerlich, wie sich viele Crews das Leben unnötig schwer machen, indem
sie stundenlang mit zu losen Niederholer durch die See schaukeln.
--
Gruss,
Tobias.
Tobias Crefeld
2014-01-20 21:09:00 UTC
Permalink
Post by Helmut Fischer
Post by Tobias Crefeld
Bei einem solchen, also richtigen Bullen stellt sich die Frage nicht.
Für mich, denke ich, schon - ich bin selber kein "alter Hase" und auch
nicht immer nur mit Leuten unterwegs die bei Hektik das Kommando "Bullen
fieren!" sofort richtig verstehen und richtig umsetzen könnten.
Hm, also erstens: Was wäre die Alternative "bei Hektik"? Das man den Baum
"flott kommen läßt" alias Patenthalse, kann's ja kaum sein. Im Gegenteil
will ich bei einer wenig routinierten Crew den Bullen sogar sehr dosiert
und synchron zum Dichtholen der Großschot fieren, da die Gefahr einer
Patenthalse währenddessen ja eher zunimmt. Und geht auch, wenn der Baum
bereits back steht - aber natürlich nicht mit irgendwelchen
Behelfskonstruktionen, für die man erstmal über Deck krabbeln muss.

Zweitens: Was würde passieren?
Der Baum steht back. Zunächst ist seine projizierte Segelfläche weiterhin
eher gering (was bei schnellen Booten allerdings rasch die Fahrt reduziert
und somit den relativen Winddruck erhöht). Bleibt die Segelstellung
bestehen, so wird das Boot sehr luvgierig und dreht immer schneller in den
Wind. Mit Genua oder Spi ein eher geringes Problem, weil sie durch das
fehlende effektive Groß früher wieder stehen und in der Regel die
Luvgierigkeit kompensieren.
Wer dagegen vorne nur eine kleine Fock hat, der hat raumschots eh ein
generelles Problem und das ist in dieser Situation nicht anders.
Giert das Boot also weiter nach Luv, kommt's spätestens halbwind auf den
Bootstyp an. Ein hoch getakeltes Boot legt stark über - unter Deck lernt
man die Bedeutung von "seefest verstaut" kennen -, aber für einen
Sonnenschuß fehlt einer Fahrtenyacht dann doch meist die nötige
Übertakelung.
Post by Helmut Fischer
Ich verstehe Dein Argument, aber ich denke mittlerweile, zum "richtigen"
Bullen gehört dann auch die richtige Crew. Also im Zweifelsfall eher
aufmerksamer steuern oder anderen Kurs fahren.
Ich gehe mal davon aus, dass jeder so gut wie möglich steuert und
natürlich sollte man allein schon aus Gründen von Komfort und
Geschwindkeit einen Vorwindkurs meiden.
Aber das geht eben nicht immer gut und der Baum ist nu mal eine der
häufigsten Ursachen für tödliche Unfälle (Schädelbruch, Überbordgehen).
Und dann gibt es Passagen, die nur wenig Freiraum lassen. Mitunter
steuerst Du sauberst, aber auf einmal fällt eine Böe ein oder Du kommst in
eine Abdeckung (oder aus einer heraus), der Wind dreht und die nötige
Kursänderung würde Dich auf Kollisionskurs mit Steinderln oder anderen
Booten bringen.
Oder grad in Tidenrevieren an der Mündung zu einer engen Passage baut sich
eine hohe, steile Welle auf, die die Effektivität des Ruders reduziert.
Grad freistehende, vom Kiel weit nach achtern abgesetzte Ruderblätter sind
dafür anfällig. Dann noch ein Whirlpool und das Steuern wird zum
Lotteriespiel.
OK., solche Situationen kann man durch vorausschauende Navigation meist
vermeiden, aber wer viel in wechselnden Revieren unterwegs ist, muss
entsprechend häufiger mit Überraschungen aufgrund mangelnder Ortskenntnis
rechnen und an manchen Küsten erkennt selbst der reviererfahrene Segler
Fallböen zu spät.
--
Gruss,
Tobias.
Matthias Heuer
2014-01-18 00:28:49 UTC
Permalink
Post by Tobias Crefeld
Wenn man mal von raffinierten Spezialkonstruktionen absieht, brauchst Du
zwei wenig elastische (manche sagen auch reckarme) Leinen (jedenfalls
keine Festmacher) mit einer Länge von jeweils knapp doppelter Schiffslänge
- für jede Seite eine. Dazu je einen großzügig dimensionierten Block, der
am Vorschiff angeschlagen wird. Damit kannst Du dann kursunabhängig den
Bullen sicher vom Cockpit aus bedienen.
Mir ist nicht klar geworden, wie die Leine läuft.

Von der Nock des Baumes zum Block am Vorschiff in der Mitte das ist
klar. Doch wo belegst Du das andere Ende? Geht es an die Winschen z.B.
der Fock. Dazu dürfte bei einigen (bauchigen) Schiffen die direkte Linie
Block - Winsch durch die Sprayhood gehen.

Ich fahre (auf Traditionsschiffen) immer einen Bullen, das ist auch
ausreichend Platz. Das ganze auf einer (kleinen) Yacht nachzuspielen
bereitet mir Kopfzerbrechen.
Tobias Crefeld
2014-01-20 20:13:00 UTC
Permalink
Post by Matthias Heuer
(jedenfalls keine Festmacher) mit einer Länge von jeweils knapp
doppelter Schiffslänge - für jede Seite eine. Dazu je einen großzügig
dimensionierten Block, der am Vorschiff angeschlagen wird. Damit kannst
Du dann kursunabhängig den Bullen sicher vom Cockpit aus bedienen.
Mir ist nicht klar geworden, wie die Leine läuft.
Von der Nock des Baumes zum Block am Vorschiff in der Mitte das ist
klar. Doch wo belegst Du das andere Ende? Geht es an die Winschen z.B.
der Fock. Dazu dürfte bei einigen (bauchigen) Schiffen die direkte Linie
Block - Winsch durch die Sprayhood gehen.
Ist ja auch nicht pauschal festzulegen.

Bei "großzügig ausgestatteten" Booten (also X-yachts ;) ) wird am ehesten
noch auf der jeweiligen Luvseite eine Winsch frei sein und dann kann man
cross auf einen Block an der luvseitigen Bugklampe und von dort übers
Schandeck nach achtern schoten. Das geht notfalls auch mit einer
Heckklampe statt einer Winsch. Woanders hat man vielleicht keine
Sprayhood. o.ä., aber dafür ein paar freie Spinlocks neben dem Niedergang.
--
Gruss,
Tobias.
Wolfgang Sörgel
2014-01-22 20:00:51 UTC
Permalink
On Thu, 16 Jan 2014 21:34:00 +0100, Tobias Crefeld wrote:

[..]
Post by Tobias Crefeld
Gegenfrage: Wieviel ist Dir die Investition wert?
Wenn man mal von raffinierten Spezialkonstruktionen absieht, brauchst Du
zwei wenig elastische (manche sagen auch reckarme) Leinen (jedenfalls
keine Festmacher) mit einer Länge von jeweils knapp doppelter
Schiffslänge - für jede Seite eine. Dazu je einen großzügig
dimensionierten Block, der am Vorschiff angeschlagen wird. Damit kannst
Du dann kursunabhängig den Bullen sicher vom Cockpit aus bedienen.
Richtig, so sollte das aussehen.
Post by Tobias Crefeld
Das kostet je nach Schiffsgröße mitunter ein paar hundert Euro. Geld,
dass Charterer lieber in ein jüngeres Boot und Eigner lieber in
elektronische Gimmicks investieren. Oder ganz einsparen.
Halte ich für übertrieben. So teuer sind Leinen auch nicht. eistens kann
man auch vom Vercharterer bei Bedarf was bekommen, ausgediente Fallen
(wenns reckarm sein soll) oder z.B. Spi-Schoten sind da meistens in
ausreichender Zahl und Länge hinreichend unbeschädigt vorhanden.
Blöcke vorne sind natürlich super, bei den meisten Schiffen gehts aber
auch ganz gut, wenn man den Bullen durch die Vorschiffklampen nach hinten
umlenkt.
Post by Tobias Crefeld
Bei einem solchen, also richtigen Bullen stellt sich die Frage nicht.
Richtig, zumindest bei entsprechendem Wellengang und/oder böigem Wind und
wenn keine ständigen Manöver absehbar sind. Oder Nachts. Dann kann man
tiefe Kurse, z.B. auch Schmetterling mit in Luv gefahreenem Groß, auch
unter diesen Umständen mit Druck in den Segeln geniesen. Beim
Sonntagssegeln auf der Kieler Förde stellt sich dagegen die Frage für
mich auch nicht.

Servus
Wolfgang
Erich Klecka
2014-01-22 20:45:43 UTC
Permalink
... Dann kann man
tiefe Kurse, z.B. auch Schmetterling mit in Luv gefahreenem Groß
... geniesen.
und dann steht auch die nicht ausgebaumte Genua (wenn sie ein wenig
überlappt) durch den Abwind des Groß sehr fein!
Vorwind ein wenig 'überachterlich' perfekt.
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